Die Entscheidung im Monat September 2020 für Arbeitnehmer

Auskunftsanspruch des Arbeitgebers über anderweitigen Erwerb – Rechtsprechungsänderung!

Amtlicher Leitsatz

Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge. Grundlage des Auskunftsbegehrens ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach §  242 BGB.

Die Ausgangslage

Spricht ein Arbeitgeber eine unwirksame Kündigung aus, befindet er sich nach Ablauf der Kündigungsfrist im sogenannten Annahmeverzug, weil er zu Unrecht die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abgelehnt hat. Für diese Zeit schuldet er dem Arbeitnehmer Vergütung (sog. Annahmeverzugslohn, § 615 BGB). Auf diese Vergütung ist allerdings anzurechnen, was der Arbeitnehmer zwischenzeitlich durch anderweitige Arbeit verdient oder zu verdienen böswillig unterlassen hat (§ 11 KSchG).

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten als Bauhandwerker beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mehrfach, wogegen der Arbeitnehmer erfolgreich klagte. Der Arbeitnehmer forderte nach Abschluss der Kündigungsschutzverfahren die Zahlung seiner entgangenen Vergütung. Er erhob Klage auf Zahlung (unter Anrechnung des bezogenen Arbeitslosengelds).

Der Arbeitgeber lehnte eine Zahlung ab mit dem Argument, der Arbeitnehmer habe böswillig unterlassen, anderweitig Verdienst zu erzielen. Der Arbeitgeber verlangte vom Arbeitnehmer schriftlich Auskunft über die Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit unter Nennung der Tätigkeit, des Arbeitsortes und der Vergütung. Diese Auskunft lehnte der Arbeitnehmer ab.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht!

Bisher hatte das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und die Vermittlung in Anspruch zu nehmen. Daher konnte auch ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes nicht vorliegen, selbst wenn ein Arbeitnehmer Stellenangebote der Agentur für Arbeit nicht wahrnahm.

Ein Arbeitgeber konnte nur aus anderen Quellen von Stellenangeboten erfahren, die der Arbeitnehmer möglicherweise böswillig abgelehnt hatte. In den meisten Fällen hat ein Arbeitgeber aber keine konkreten Anhaltspunkte. Insbesondere darf die Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber keine Auskünfte erteilen. Damit lief die im Gesetz vorgesehene Anrechnung böswillig unterlassener Arbeitsmöglichkeiten faktisch leer.

Diese bisherige Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nun ausdrücklich aufgehoben:

Ein Arbeitnehmer ist gemäß § 2 Abs. 5 SGB III zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten und daneben gemäß § 38 SGB III verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses arbeitssuchend zu melden. Es besteht also eine Verpflichtung zur Arbeitssuche und Inanspruchnahme von Arbeitsvermittlung.

Das Bundesarbeitsgericht bejaht einen Auskunftsanspruch, damit der Arbeitgeber prüfen kann, ob es Einwände gegen den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmer gibt. Diese Auskunft kann nur der Arbeitnehmer erteilen. Daher ist er aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch dazu verpflichtet.

Die Tatsache allein, dass Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit vorliegen, bedeutet natürlich nicht automatisch, dass der Arbeitnehmer Job-Angebote böswillig abgelehnt hat.  Vielmehr ist es nach Erteilung der Auskunft noch immer am Arbeitgeber, seine Behauptung einer anderweitigen Verdienstmöglichkeit so substanziell zu begründen, dass sich der Arbeitnehmer hierzu einlassen kann. Der Arbeitgeber wird also konkret vortragen müssen, warum ein Vermittlungsangebot für den Arbeitnehmer zumutbar war. Dann wird der Arbeitnehmer konkret erklären müssen, aus welchen (berechtigten) Gründen er sich nicht beworben oder dass er die Stelle trotz ordnungsgemäßer Bewerbung nicht erhalten hat.

Unser Tipp:

Im Falle der Arbeitslosigkeit müssen Sie ohnehin zur Vermeidung einer Sperrzeit auf alle Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit reagieren. Achten Sie aber im Falle einer Kündigungsschutzklage gegen Ihren Arbeitgeber jetzt auch zur Wahrung Ihrer Vergütungsansprüche ganz besonders darauf, für jedes Vermittlungsangebot der Agentur für Arbeit genau zu dokumentieren, wie Sie sich darauf beworben haben und bewahren Sie auch die Absagen auf. Falls Sie sich ausnahmsweise nicht bewerben, sollte es hierzu triftige nachweisbare Gründe geben. Es ist damit zu rechnen, dass Arbeitgeber in Zukunft viel detaillierter prüfen werden, ob sich die Zahlung von Annahmeverzugslohn vermeiden lässt.

Falls Sie Hilfe benötigen: Wir sind für Sie da.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 – 

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