Die Entscheidung im Monat Februar 2020 für Arbeitnehmer

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Leitsätze

  1. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trifft den Arbeitnehmer.
  2. Macht der Arbeitnehmer bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit einen Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund neuer Erkrankung geltend, trifft ihn auch die Darlegungs- und Beweislast für das Ende der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit.

Die Ausgangslage

Im Krankheitsfall hat ein Arbeitnehmer gemäß § 3 EFZG Anspruch auf 6 Wochen Entgeltfortzahlung. Dauert die Erkrankung länger an, zahlt danach die Krankenkasse Krankengeld. Bei aufeinander folgenden Erkrankungen mit unterschiedlichen Diagnosen können mehrere Zeiträume mit Anspruch auf 6-wöchige Entgeltfortzahlung entstehen.

Überschneiden sich allerdings die Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit, besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung trotz unterschiedlicher Diagnosen nur einmal für 6 Wochen. Diese Situation nennt man die sog. Einheit des Verhinderungsfalls.

Ein einziger Tag der Genesung kann also den Ausschlag darüber geben, ob weitere volle 6 Wochen Entgeltfortzahlung geschuldet sind.

Sachverhalt

Die Arbeitnehmerin war bei der Beklagten als Fachkraft in der Altenpflege beschäftigt. Seit dem 7. Februar 2017 war sie infolge eines psychischen Leidens arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber leistete 6 Wochen Entgeltfortzahlung, im Anschluss bezog die Arbeitnehmerin Krankengeld. Die ärztliche Folgebescheinigung endete am 18.05.2017. Am 19. Mai 2017 unterzog sich die Arbeitnehmerin wegen eines anderen Leidens einer seit längerem geplanten Operation. Ihr Arzt bescheinigte hierfür als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit vom 19. Mai 2017 bis zum 16. Juni 2017.

Die Arbeitnehmerin erhielt in der Zeit vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017 weder vom Arbeitgeber Entgeltfortzahlung noch von ihrer Krankenkasse Krankengeld. Mit ihrer Klage hat sie für diesen Zeitraum vom Arbeitgeber die Zahlung von 3.364,90 Euro Entgeltfortzahlung verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie sei ab dem 19. Mai 2017 wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet.

Die Entscheidung

Sowohl das LAG, als auch das Bundesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Folgt eine Erkrankung der anderen, entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung beendet war, bevor die zweite Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führte.

Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war. Arbeitsfähigkeit genügt auch für nur wenige Stunden, die sogar außerhalb der Arbeitszeit liegen können.

Meldet sich der Arbeitnehmer aber in unmittelbarem Anschluss an den ausgeschöpften sechs Wochenzeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG erneut mit einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank, kann der Arbeitgeber bestreiten, dass die „neue“ Krankheit erst nach der Genesung eingetreten sei.

Um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit darzulegen, kann sich der Arbeitnehmer in der Regel auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen. Der Arzt wird nämlich die Arbeitsunfähigkeit im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen. Dabei ist es unerheblich, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- oder arbeitsfreien Tag fällt.

Trägt allerdings der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erste Arbeitsunfähigkeit – entgegen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – doch nicht vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der zweiten Erkrankung geendet hat, muss der Arbeitnehmer das Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit mit anderen Mitteln beweisen. Der Arbeitnehmer kann sich hierfür auf das Zeugnis seines Arztes berufen.

Das half der Klägerin hier aber nicht: Sie musste nachweisen, dass sie vor der Erkrankung vom 19. Mai wieder arbeitsfähig geworden war. Der als Zeuge gehörte Arzt hatte die Arbeitnehmerin seit der Erteilung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aber nicht mehr untersucht. Seine Kollegin hatte die Folgebescheinigung bis 18. Mai in Vertretung unterschrieben. Eine Genesung vor dem 19. Mai konnten beide nicht bestätigen.

Der bloße Umstand, dass keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erteilt wurde, genügt als Beweis der Arbeitsfähigkeit in solchen Fällen also nicht.

Unser Tipp:

Direkt aufeinander folgende Arbeitsbescheinigungen können Probleme auslösen. Es ist daher richtig und wichtig, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für kurze Zeiträume ausgestellt werden und Ihr Arzt Sie vor einer Folgebescheinigung untersucht. Nur so kann er im Streitfall bestätigen, dass eine Genesung im Anschluss an die (letzte) Krankschreibung vorlag.

Falls Sie Hilfe benötigen: Wir sind für Sie da.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2019 – 5 AZR 505/18 –

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